Grundzüge des Theaters als Kunstform

Das Prinzip Theater befindet sich in direkter Verbindung zu den humanen Grundbedürfnissen wie Tanzen, Spielen, Maskieren und Verkleiden. Wie das Ritual oder auch das Fest gehört das Theater zu den performativen Ausdrucksformen einer Kultur. Denn innerhalb einer Kultur gehört die soziale und künstlerische Reflexion immer zu den anthropologischen Phänomenen. Das Theater selbst hat sich ja auch aus dem Ursprung von kultischen Handlungen entwickelt. Jede Kunstform der späteren theatralen Aufführung besitzt ihre Wurzeln in historischen Riten und Kulten.
Die Aufführung in einem Theater kann auf einem von einem Autor oder einem Komponisten verfassten Schauspiel oder Musikstück basieren. Es kann sich aber auch um eine spontane Aktion, eine Improvisation oder eine Performance handeln. Die Mittel der Darstellung reichen von der Mimik, Gestik, Tanz, Gesang oder Sprechen über die Pantomimik bis zur Ensemble- oder Gruppendynamik. Überall dort, wo die Zuschauer einen oder mehrere Darsteller in einer spielerischen Situation betrachten, kann von Theater gesprochen werden. Zu dieser Grundsituation gehört auch das Rollenverständnis der Zuschauer und der Darsteller. Das Publikum muss ein Bewusstsein über seine Rolle als Zuschauer besitzen. Und die Darsteller müssen sich selbst als Spieler definieren. Mit diesen Grundvoraussetzungen ist der Minimalkonsens über die Definition von Theater schon erfüllt.
Die Besonderheiten der historischen und aktuellen Formen des Theaters lassen sich als eine wechselhafte Beziehung zwischen den vier Grundkomponenten beschreiben. Zu diesen vier Grundkomponenten gehören die Darsteller, die Zuschauer, der Raum und die Dramaturgie, also der Spielinhalt. In diese Wechselbeziehungen greifen je nach der Art der künstlerischen Akzentuierung einer Aufführung auch der Einsatz von Licht, die Tontechnik, die Maske, die Kostüme, das Bühnenbild und die Bühnenarchitektur mit ein.
Das Theater ist ein Teil der Kunst und deshalb frei in seinem Grundcharakter. Die Ambitionen für die Aufführungen reichen von ästhetischen, religiösen, gesellschaftskritischen bis zu politischen Bereichen. Eine Sonderstellung besitzt das Theater im Rahmen aller Künste durch seinen Live-Charakter. Jede Aufführung ist ein zeitlich begrenztes, also transitorisches Ereignis. Diese temporäre Einmaligkeit in Verbindung zur face-to-face Beziehung der Künstler zum Publikum gestaltet jede Aufführung zu einem Ereignis mit einem höchst lebendigen Charakter. Das Publikum wird nicht nur rein intellektuell durch Sprache oder Symbole kontaktiert und herausgefordert, auch Emotionen spielen eine Hauptrolle im Geschehen. Dabei ist der Zugriff auf das Unterbewusstsein nicht auf die Zuschauer beschränkt, denn auch der Schauspieler unterliegt in seiner Arbeit der anscheinenden Realität seiner Figur und dessen Geschichte. Das Publikum sieht eine Geschichte, welche direkt vor seinen Augen zum Leben erweckt wird, dadurch entsteht eine subjektive mediale Realität. In diesem Sinne kann das Theater auch als psycho-soziales Erfahrungsfeld gewertet und definiert werden. Denn die aktive oder passive Wahrnehmung von Kunst steht immer in einer engen Verbindung zur Selbsterfahrung. In diesem Rahmen bietet speziell das Theater die Chance für den Zuschauer, das Leben und sich selbst zu reflektieren und in einem neuen Zusammenhang wahrzunehmen.
Doch es handelt sich nicht nur um die individuelle Erfahrung, denn das Theater war schon immer ein Mittelpunkt der Gesellschaftskritik. In spielerischer Art und Weise wurde und wird bei politisch oder sozial ambitionierten Aufführungen den Mächtigen der – meist wenig schmeichelhafte – Spiegel vorgehalten. Dabei beruft sich das Theater auf die Freiheit der Kunst, in deren Rahmen sie selbst unabhängig und kritisch agieren darf.

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